Die sog. Utah-Ehe bezeichnet ein Verfahren der Online-Eheschließung in dem gleichnamigen, streng religiösen US-Bundesstaat. Zweck der Einführung war die Ermöglichung der Eheschließung trotz pandemiebedingter Einschränkungen.
Die Eheschließung findet online per Videokonferenz statt. Das Brautpaar selbst muss sich nur einwählen. Es reicht dabei aus, dass der*die Standesbeamte*in physisch in der Behörde bei der Trauung anwesend ist. Im Anschluss erhalten die Eheleute eine „Marriage License“ bzw. ein „Certificate of Marriage“ des Bundesstaates Utah.
Ist die Eheschließung in Utah/USA in der Bundesrepublik Deutschland gültig?
Da Drittstaatsangehörige und ihre deutschen bzw. ausländischen Partner*innen selbst in ihrer Eheschließung durch die pandemiebedingten Reiseeinschränkungen betroffen waren, hat die „Utah- Ehe“ für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Einem Paar, dass eine solche „Utah-Ehe“ vollzog und in der Folge eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beantragte, erteilte das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 15.02.2022 (7 L 122/22) indes eine Absage. Der Beschluss wurde zwar zwischenzeitlich vom OVG Nordrhein-Westfalen abgeändert (Beschluss vom 11.03.2022 - 18 B 242/22). Aufgrund der Mangelhaftigkeit der behördlichen Entscheidung wie auch des gerichtlichen Beschlusses bedurfte es dafür allerdings – bedauernswerter Weise – keiner Ausführungen die Wirksamkeit der Eheschließung in Utah betreffend.
Zuletzt versagte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.06.2022 (10 CS 22.716) mit einer abweichenden Begründung der Utah Ehe die Wirksamkeit.
Die gerichtlichen Begründungen sind lückenhaft und nicht überzeugend.
Eine im Ausland geschlossene Ehe wird im Bundesgebiet grundsätzlich anerkannt, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung die materiell-rechtlichen Voraussetzungen zur Eheschließung für beide Verlobten nach ihrem jeweiligen Heimatrecht vorlagen und wenn das Recht am Ort der Eheschließung hinsichtlich seiner Formvoraussetzungen gewahrt wurde.
Bei Ehen mit Auslandsbezug ist daher zunächst immer vorab zu klären, welche Rechtsordnung überhaupt Anwendung findet. Das EGBGB unterscheidet dabei zwischen formellen (Art. 11 EGBGB) und materiellen Eheschließungsvoraussetzungen (Art. 13 EGBGB).
Der Bundesgerichtshof hatte am 29.11.2021 (XII ZB 309/21) einen Fall der Eheschließung in Stellvertretung mit Mexiko-Bezug zur Entscheidung. Zur „Mexiko-Ehe“ hat der BGH entschieden, dass in Fällen, in denen die Ehewilligen vertreten werden und den Stellvertretenden keine Entscheidungsbefugnis eingeräumt ist und es sich um eine Stellvertretung in der Erklärung handelt, nicht um eine materielle, sondern formelle Eheschließungsvoraussetzung handelt; mithin war das Recht am Ort der Eheschließung – Mexiko – nach Art. 11 Absatz 1 EGBGB ausschlaggebend.
Nichts anderes kann und darf in dem Fall gelten, in dem die Ehewilligen selbst – per Videokonferenz – gegenüber dem*der Standesbeamten*in ausdrücklich ihren Wunsch zur Eheschließung erklären.
Auch das VG Düsseldorf kommt in seiner vorgenannten Entscheidung - wenn auch in falscher Reihenfolge - zu dem Ergebnis, dass es sich um eine formelle Voraussetzung handelt und das Rechtsgeschäft formgültig ist, wenn es die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird.
Soweit das VG Düsseldorf dann aber im Weiteren auf Deutschland als Ort der Willensäußerung bzw. -erklärung der Ehewilligen abstellt und im Ergebnis annimmt, dass die „Utah- Ehe“ formunwirksam geschlossen wurde, da die Ehe nicht in persönlicher Anwesenheit vor einem*einer deutschen Standesbeamten*in geschlossen wurde, liegt das Gericht falsch.
Denn anstatt für die Wirksamkeit auf den Ort der Abgabe der Willenserklärung abzustellen, muss vielmehr auf den Ort abgestellt werden, an dem die Erklärung dem Standesamt zukommt.
Der BGH entschied schon 1958 (Urteil vom 19.12.1958 – IV ZR 87/58), dass es im Rahmen der Form der Eheschließung insbesondere auch auf die Mitwirkung einer verbeamteten, geistlichen oder sonstigen Hilfsperson ankommt. Die Entscheidung des BGH zur „Mexiko-Ehe“ nimmt darauf Bezug und erkennt die Wirksamkeit einer Eheschließung in Stellvertretung an, wenn die die Ehewilligen Vertretenden deren Erklärung vor dem Standesamt in Mexiko schlicht wiederholen.
Daher ist es unserer Ansicht nach einerlei, ob diese Erklärung direkt per Online-Verbindung oder durch Erklärung im Rahmen einer Stellvertretung dem Standesamt zugeht. Ausschlaggebend ist, dass die Erklärung dem Standesamt zugegangen ist. Die Äußerung des Ehewillens ist nur eine Vorbereitungshandlung, die die anschließende Trauung durch den*die Standesbeamten*in.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sieht in der Online-Eheschließung einen Verstoß gegen den „ordre public“ (Beschluss vom 20.06.2022 – 10 CS 22.716). Tatsächlich überzeugt das aber nicht. Die Anwendung ausländischen Rechts steht vorliegend nicht in einem so krassen Widerspruch zu Grund- und Wertungsgedanken des deutschen Rechts, dass ein Festhalten hieran im Bundesgebiet schlichtweg untragbar wäre. Dem schließt sich der BGH für die „Mexiko-Ehe“ an. Tatsächlich begründet dies eine Gefahr für eine Vielzahl hinkender Ehen – Rechtssicherheit sieht anders aus.
Das letzte Wort ist hier gewiss noch nicht gesprochen. Im besten Fall dürfte eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats hier für verbindliche Klarheit sorgen.
von Damla Yağbasan
Frau Yağbasan ist angestellte Rechtsanwältin in der Rechtsanwaltskanzlei Sangong. Sangong ist spezialisiert auf das Migrations-, Wirtschaftsstraf- und Steuerstrafrecht.